Kann man an der Schule unterrichten, an der man selbst Schüler war?

16. Juli 2021

Ein Interview mit Philip Woodcraft

Wann und wie lange warst du Schüler an der GMS?
Ich war Schüler an der GMS-Grundschule von 1990 bis 1994. Von 2001 bis 2003 habe ich mein Abitur an der GMS-Gesamtschule gemacht.

Beschreibe kurz deine Schulzeit an der GMS.
Meine Schulzeit an der GMS war in erster Linie von richtig guten Freundschaften und jeder Menge Spaß geprägt. Da ich erst zur Oberstufe zurück zur GMS kam, lernte ich die Leute dort alle neu kennen. Einige dieser Freundschaften sind heute noch richtig gut. Schulisch war ich nicht unbedingt der „Musterschüler“, aber es war cool, dass wir als kleine Stufe (nur 20 Schüler) ernst genommen wurden. Teilweise hatten wir Kurse mit nur 3 Schülern, da kann man sich nicht einfach zurückziehen und schlafen… Gleichzeitig gab es dadurch sehr wertschätzende und gute Beziehungen zu den Lehrern. Das hat mich bis heute geprägt und macht für mich einen zentralen Unterschied zwischen der GMS und anderen Schulen aus.

Welches war dein lustigstes Erlebnis als Schüler mit einem deiner Lehrer?
Es gab für uns als Schüler sehr viele sehr lustige Momente… leider teilten die Lehrer nicht immer unsere Auffassung von lustig ;-). Die besten Erinnerungen habe ich zum Beispiel an folgende Begebenheit: Es war Erdkundeunterricht und es wurde ein Film gezeigt. Plötzlich… (nun muss ich aber leider nochmal kurz ausholen, um die Komik der Situation verständlicher zu machen: Die Mädels in unserer Stufe waren zu der Zeit auf einem „Strick-Trip“ – sie strickten also die ganze Zeit [in den Pausen, in ihrer Freizeit und auch im Unterricht]. Einige Lehrer waren davon nicht begeistert und verboten es. Nicht so unser Erdkundelehrer…) packte Herr Rückert vor der ganzen Klasse sein Strickzeug aus und fing gemütlich an zu stricken während der Film lief. Diese Reaktion auf den Strickwahn unserer Mädels fand ich legendär. Ein cooler Nebeneffekt dieser Aktion: An kühlen Wintertagen kann man auch heute noch Herrn Rückert mit einer bunten Wollmütze rumlaufen sehen… selbst gestrickt in unserem Erdkundeunterricht ;-).
Allerdings könnte ich an dieser Stelle auch erzählen von einer Reli-Lehrerin, die bis zum Abitur (also nach 3 Jahren) nicht verstand, dass wir eine Fake-Schülerin erfunden haben, die auf ihrer Liste stand und die immer unterschiedliche Termine und Krankheiten hatte, sodass sie nicht am Unterricht teilnahm. „Olga“ bekam am Ende sogar eine Note von ihr… oder von einem Sportlehrer, der fleißig an unseren „Schweinehaufen“ teilgenommen hat oder …

aber das sind Geschichten für andere Tage (oder Unterrichtsstunden).

Warum bist du Lehrer an der GMS geworden?
Ich bin Lehrer geworden, weil es mich begeistert mit Kindern und Jugendlichen zusammen zu sein. Ich finde es total spannend, Menschen zu begleiten und sie zu fördern und zu unterstützen. Jeder hat seinen (oder ihren) einzigartigen Charakter mit Begabungen und Fähigkeiten, die Gott nur ihm/ihr gegeben hat. Mich macht es glücklich, wenn ich daran teilhaben und zuschauen darf, wie junge Menschen diese Begabungen und Fähigkeiten kennenlernen und beginnen, sie in ihrem Leben sinnvoll zu gebrauchen. Das gibt mir tiefe Freude und empfinde ich als großen Segen.
Wie ist das für dich gewesen, als junger Lehrer auf deine „alten“ Lehrer zu treffen?
Am Anfang hatte ich echt Angst. Wie schon erwähnt, war ich kein „Musterschüler“ und habe mich als Schüler nicht immer rühmlich benommen. Meine Sorge war dann, als ich selbst als Lehrer zurück an die Schule kam, dass die „alten“ Lehrer nachtragend sein könnten und auf alten Kamellen rumreiten oder dass sie mich nicht ernst nehmen und weiterhin wie einen Schüler behandeln. Ich wurde aber glücklicherweise positiv überrascht. Die „alten“ Lehrer haben sich teilweise sogar ehrlich gefreut und mich freundlich begrüßt. Heute fühle ich mich im „Lehrer-Team“ voll angenommen und wertgeschätzt ;-).

Was war dein lustigstes Erlebnis als Lehrer mit deinen Schülern?
Ich erlebe jede Woche lustige Momente mit meinen Schülern. Immer wieder gibt es Situationen, in denen du dich als Lehrer entscheiden musst, ob du jetzt weinst oder lachst! Ich entscheide mich gerne fürs Lachen und finde, dass lustige Erlebnisse dazugehören. Allerdings erlebe ich auch, ebenso wie meine Lehrer damals, dass ich manches, was Schüler super witzig finden, nicht so lustig finde.
Diese Woche zum Beispiel haben einige (wenige) Schüler fleißig gelacht, weil sie Musik auf das Touchboard in den Hintergrund gelegt haben, die dann irgendwann hörbar wurde. An sich ein cooler Gag, aber in dem Raum habe ich ständig technische Probleme und konnte daher nur bedingt darüber lachen.

Was hat sich von deiner Schülerzeit zu deiner Lehrerzeit verändert?
Ich bin älter geworden… Ich sehe die Dinge mit anderen Augen und stehe in einer ganz anderen Lebenssituation. Gefühlt liegt meine Schulzeit Lichtjahre in der Vergangenheit. Eine Sache hat sich aber deutlich verändert: Ich sehe heute einen tieferen Sinn in dem, was ich tue. Als Schüler fehlt einem oft die Perspektive und man quält sich nur. Rückblickend bin ich unglaublich dankbar, für das, was ich in der Schule lernen durfte. Eine gute Grundbildung macht manche Dinge im Leben leichter und wir sind diesbezüglich in Deutschland sehr privilegiert. Ich habe es damals versäumt, dankbar für Schule zu sein und die Möglichkeiten, die man dadurch bekommt. Das würde ich heute ändern.

Würdest du heutigen Schülern empfehlen, ggf. Lehrer oder Lehrerin an der GMS zu werden?
Ich finde, als Lehrer macht man ganz viel „Beziehungsarbeit“. Die Fächer, die man dabei unterrichtet, spielen häufig gar keine so wichtige Rolle. Von daher würde ich es all denjenigen empfehlen, die glauben, dass sie Kinder und Jugendliche gut „erreichen“ und „abholen“ können. Der Fokus sollte dabei auf der Beziehung zum Menschen liegen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es auch ein ziemlich arbeitsintensiver Beruf ist und man somit Disziplin und Fleiß benötigt. An der GMS bekommst du zusätzlich ein super Kollegium und sehr nette Schüler :-).

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