10. Juli 2020
Mist, wenn die Schüler doch wenigstens heute noch hätten kommen können, dann hätten wir die D-GK-Q1-Klausur noch geschafft, aber hätte – hätte – …
9:00 Uhr Dienstbesprechung: Es beginnt gut. Die Zettel, die uns die Schulleitung gibt, sind verständlich. Dann gibt’s die Minifortbildung „MS 365, Teams, OneNote…“ – tja,schön, dass manche Kollegen so fortgeschritten sind, ich verstehe NICHTS – NADA – NULL – NIENTE. Das könnte auch in Chinesisch sein. Am Ende sind die Cracks etwas „crackiger“ geworden, wir Anfänger sind dumm geblieben. Mein Gebet: Hoffentlich schaffe ich es, diese Kursteams einzurichten. Eine Kollegin gibt mir Hilfestellung.
Nachmittags: Ich habe es geschafft und bin stolz auf mich!
Per Teams schicke ich den Schülern die ersten Aufgaben. Ein Schüler schreibt, ich solle ein Kursnotizbuch einrichten. DAS MUSS MAN EINRICHTEN??? Zum Glück scheint das Programm solche „absolutely beginners“ wie mich zu kennen, denn da gibt’s einen schönen Button auf der Anfangsseite „Kursnotizbuch einrichten“. Mach ich doch mal! Es klappt. Stolz verkünde ich per Teams: Kursnotizbuch ist eingerichtet!
Nächstes technisches Problem: Wie bekomme ich ein analoges Arbeitsblatt in den Computer? Gestern hatte ich schon den Tipp erhalten: Foto mit dem Handy machen, sich selbst mailen. Klappt nicht! Wahrscheinlich ist mein Handy auch dafür zu alt. Für mein Problem gibt´s den super Tipp: Lass dir das Blatt von Carla Wiebe (Sekretärin) einscannen und als Datei schicken. Danke (Mein egoistischer Gedanke: Hoffentlich gibt es keine Ausgangssperre, sonst kann Carla nicht mehr zur Schule kommen und wie löse ich dann das Problem?). Jetzt muss ich die Datei nur noch in dem entsprechenden Team hochladen. Inzwischen bin ich nicht mehr ganz so überrascht, dass ich es schaffe. Trotzdem erfüllt mich mal wieder Stolz.
Hochmotiviert sitze ich schon vor 8:00 Uhr am Computer.
Nächstes technisches Problem: Ich will den Schülern meines Q1-Spanischkurses ein Video schicken.
Das lade ich erst einmal von der DVD auf meinen Rechner. Das geht und ich freue mich über diesen erfolgreichen Start in den Arbeitstag.
Und nachdem die letzten beiden Tage dieser ganze Technikkram doch schon so gut gelaufen ist, wird das ja wohl heute so weitergehen. Also versuche ich, das Video bei Teams hochzuladen und warte… ich warte… ich warte… ich warte immer noch… passiert da was? Nee, irgendwie nicht so richtig. Was nun?
Technik-Hotline der Schule anrufen! Stephan Lange ist meine Rettung: OneDrive ist die Lösung. Habe ich natürlich noch nie vorher mit gearbeitet. Jetzt weiß ich, wie man dort Dateien anlegt, Videos oder anderes hochlädt und dies mit anderen teilt. Na, wenn das kein Lernerfolg ist! Okay, bis ich mit Hochladen und Teilen ganz fertig bin, ist es auch schon 9:00 Uhr, aber meine Schüler vom Spanisch10-Kurs, die jetzt Unterricht hätten, schlafen eh noch. Und es tat richtig gut, den Kontakt zum Kollegen zu haben, wenn auch nur per Telefon (das scheint im Digi-Zeitalter ja doch noch nicht ganz aus der Mode gekommen zu sein). [Nachtrag: Viele Schüler konnten das Video nicht öffnen? WARUM NICHT?]
Nicht nur gestern Abend, nein auch schon davor kommen verzweifelte Anfragen von Schülern, die anscheinend genauso an der Digi-Front kämpfen wie ich. Da denkt man doch immer, die heutige Jugend sei fit fürs digitale Zeitalter, aber weit gefehlt! Auch da gibt es wohl die Crackies und die, die sich irgendwie mehr schlecht als recht durchschlagen. Ist ja auch irgendwie tröstlich für jemanden aus dem letzten Jahrtausend, also mich. Und hey, ich gebe ihnen Tipps und Hinweise, wo sie was finden. Ob ich jetzt schon reif für die Technik-Hotline unserer Schule bin??
Dann aber der Rückschlag: ein Schüler schickt mir auf das Kursnotizbuch ein Word-Dokument, ich will ihm seine Ergebnisse korrigiert zurücksenden und verliere mich im Dschungel von Herunterladen, OneNote, OneDrive oder sonstwo – keine Ahnung! Ein fast völliger Fehlschlag, vielleicht zu retten durch umständlichste, aufwändigste Wege, aber nicht von mir! Sollte das nicht – laut Schulleitung – ganz einfach sein?
Was macht die kluge Frau? Ruft mal wieder die Technik-Hotline an. Der Kollege scheint aber noch zu schlafen, geht jedenfalls nicht dran. Ich rufe einen Kollegen an, den ich für kompetent halte, aber der kennt sich da auch nicht aus. Zumindest scheinen meine Fragen inzwischen ein gewisses Niveau erreicht zu haben. Ich versuche es bei Taia Staben, die ist da fit, und schon bald bekommen meine Schüler nette handschriftliche Kommentare in krakeliger roter Schrift. Aber es dauert… es dauert sehr lange… und das nicht, weil ich mit der Technik kämpfe, sondern weil es einfach dauert, alles aufzurufen, zu kontrollieren, zu kommentieren…
Morgens bin ich mal wieder bei Carla, AB-Nachschub für meine Schüler einscannen.
Dann geht’s weiter ans Bearbeiten von Schüleraufgaben.
Nächstes Problem: Viele schicken per Chat Fotos von ihren HA. Kann man die auch direkt auf dem Tablet bearbeiten wie die Aufgaben im Kursnotizbuch? Ich rufe Frau Staben an (langsam wird es zu einer schönen Gewohnheit, jeden Tag mit ihr zu sprechen) und die erklärt mir, dass das viel zu kompliziert ist, um es zu machen. WAS? Sollte die Technik hier etwa an ihre Grenzen stoßen? Jetzt bin ich aber sowas von enttäuscht.
Frage: Warum finden die Schüler das Kursnotizbuch bloß nicht? Ich telefoniere mit einer Schülerin und versuche „technical support“ zu geben (na, wenn das kein Witz ist). Anscheinend taucht das Kursnotizbuch in ihrer Leiste auf dem Handy nicht auf. Ich gebe ihr den Tipp, es mal auf dem Rechner zu versuchen, da App- und Computer-Teams nicht immer gleich seien. Das muss eine göttliche Eingebung gewesen sein! Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich auf so etwas komme. Und trara: sie schickt ihre HA per Kursnotizbuch! Wow, jetzt habe ich sogar schon meine persönliche Schüler-Hotline!
Morgens lese ich die Mail, was die Kollegen tun müssen, die noch die Vorabiklausuren zurückgeben müssen. Hey, die können einem echt leidtun. Wenn das keine Auswüchse der Digitalisierung sind, dann weiß ich es nicht! Hoffentlich haben die Kollegen auch gelesen, dass man die Klausuren kopieren und per Post schicken kann. Und wenn ich es selbst bezahlen müsste…
Es mussten wohl erst so außergewöhnliche Umstände eintreten, damit sich jemand wie ich so intensiv mit dem „Digi-Kram“ beschäftigt, wie ich das diese Woche musste. Das ist sicherlich positiv, auch wenn ich zurzeit nicht weiß, was ich davon beibehalten werde, wenn diese Phase vorbei ist. Das muss dann in Ruhe überlegt werden. Meine Maxime ist immer: Technik muss meinen Unterricht besser machen, sonst ist sie technische Spielerei. Und deshalb bleibe ich kritisch. Jetzt bin ich aber zumindest in der Lage, einige Dinge unter dieser Prämisse zu bewerten.
Dass ich so viel in so kurzer Zeit lernen musste und das mit nur wenig Hilfestellung, war extrem anstrengend und auch nervig. Im normalen Schulalltag wäre das unerträglich gewesen und auch so bin ich neben der Betreuung der Schüler und dem Lernen von dem „Digi-Kram“ (inzwischen eher liebevoll gemeint) zu nichts groß gekommen.
Ich hoffe, dass in der zweiten Woche mehr Ruhe einkehrt, alles etwas mehr zur Routine wird, auch für die Schüler, denn die leiden teilweise auch sehr deutlich unter dem Kampf mit der Technik.
Ausblick: OneNote ist für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, vielleicht aber die nächste Herausforderung?
Sobald die Schule wieder „richtig“ startet, könnte ich mich vielleicht auch nochmal mit den Touchscreens beschäftigen.
PS: Wir haben technisch viel zu unterschiedliche Wissensstände und Bedürfnisse. Die, die Hilfe brauchen, brauchen einen persönlichen „Scout“. Aber vor allem: Wir brauchen ECHTE zeitliche Freiräume für das Lernen des „Digi-Krams“!
Katja Tiel