9. Mai 2025
Im Begründet-Glauben-Projektkurs von Herrn Lange haben zwei Schüler der Q1 eine Geschichte über die Feinabstimmung des Universums geschrieben. Viel Spaß beimLesen!
Timmy, ein einfacher und doch sehr intellektueller Junge vom Lande, war schon immer gerne draußen in der Natur. Tag ein, Tag aus durchstreifte er die Weiten der Wälder und Wiesen. Jedes Mal aufs Neue staunte er über die Vielfalt, aber auch über die Komplexität des Lebens: Wie können Regenwürmer weiterleben, nachdem man sie in zwei geteilt hat, oder wie kann aus einer so kleinen und manchmal auch hässlichen Raupe solch ein schöner Schmetterling entstehen? Für Timmy war die Natur einfach ein Wunderwerk, welches man nur mit einem breiten Strahlen erleben konnte.Doch eine Sache wollte einfach nicht aus seinem Kopf: „Warum lebe ich, und wie kann mein Körper so fantastisch durchdacht sein?“ Natürlich hatte Timmy keinen Master of Biology, aber auch er wusste – oder er versuchte zumindest, es sich vorzustellen – wie unglaublich komplex das Leben war und wie unwahrscheinlich all das wirkte. Eine Idee, die Timmy nahezu tagtäglich von seiner christlichen Urgroßmutter eingetrichtert bekam, ist zurückzuführen auf ein übernatürliches Wesen, beziehungsweise in diesem Fall eben auf den Gott der Christen. Auch zu Timmys Frage, der Frage nach dem Grund für die Feinabstimmung des Lebens und des Universums, konnte sie ihm schon viele Argumente liefern, und diese Argumente waren allesamt echt plausibel.
Doch wer wäre Timmy, wenn er sich nicht noch andere Standpunkte zu diesem Thema einholen würde? Bei seinen Spaziergängen kam Timmy öfter mal bei einem Tempel vorbei, und heute zog es ihn irgendwie in dessen Richtung. So betrat Timmy die Tempelanlage und erblickte einen weiß gekleideten Mann, welcher auf einem Perserteppich kniete. Vorsichtig schlich Timmy in seine Richtung. Vor dem knieenden Mann angekommen, öffnete dieser seine Augen. Er war offensichtlich erstaunt, so einen jungen Menschen bei sich im Tempel zu sehen. Bescheiden stellte sich der Mann als „Mister Sheng“ vor. Timmy kannte keinen besseren Ort, um seine Frage loszuwerden, und so fragte er Sheng: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ Mit einem neutralen Gesichtsausdruck antwortete Sheng ihm: „Mein lieber Junge, ich sehe die Bedeutsamkeit dieser Frage für dich, doch leider kann ich dir auf der Suche nach einer Antwort nicht weiterhelfen. Das musst du schon für dich selbst herausfinden.“ Ziemlich enttäuscht brach Timmy wieder auf, doch anstatt nach Hause zu gehen, machte er sich auf den Weg in Richtung Norden. Er wollte unbedingt herausfinden, wie er leben kann, wo dies doch so unwahrscheinlich ist.
Timmys erster Halt war die örtliche, wenn auch echt kleine, Universität. Dort saß ein sympathisch aussehender Student auf einer Parkbank. Da dieser sich gerade eine Pause zu genehmigen schien, war es für Timmy die perfekte Gelegenheit, das Gespräch mit dieser Person zu suchen. Und so stellte Timmy seine Frage: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ Da antwortete der Student: „Es gibt unzählige Universen, und in einem, beziehungsweise in unserem, sind die Bedingungen eben so, dass Leben möglich ist.“ Aus Liebe zu seiner Urgroßmutter entgegnete Timmy dieser Theorie natürlich: „Aber meine Urgroßmutter hat mir immer gesagt, dass ein Gott all das geschaffen haben muss.“ Doch der Student blieb seiner Theorie des Multiversums treu. Da fragte Timmy nach: „Aber ein Gott könnte dieses Multiversum doch ebenfalls geschaffen haben, also schließt deine Theorie einen Gott doch gar nicht aus.“ Und weiter nach einem kurzen Luftholen: „Wenn es deiner Meinung nach jedes erdenkliche Universum geben würde, dann müsste es doch auch eines geben, in welchem ein Gott existiert, oder nicht? Und wenn ein allgegenwärtiger Gott in einem Universum existieren würde, dann würde er ja auch überall, also auch in jedem anderen Universum existieren!“ Der Student versank im Nachdenken, und als nach wenigen Sekunden der Stille immer noch kein Wort aus ihm herauskam, beschloss Timmy, weiterzuziehen.
Auf dem Weg ins nächstgelegene Dorf kam Timmy jedoch an einem Obdachlosen vorbei. Diese Chance wollte Timmy sich nicht entgehen lassen. Wieder stellte Timmy seine Frage: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ – „Passiert halt“, meinte der Obdachlose. „Dass du geboren wurdest, ist doch genauso unwahrscheinlich, aber dennoch lebst du, oder nicht?“ Timmy zurück: „Aber dass ein Mensch entsteht, ist ja wahrscheinlich, was man über das Universum ja nur schwer sagen kann.“ Der Obdachlose nur kurz und entmutigt: „Ja…, aber trotzdem…“ Für Timmy war es jedoch noch nicht das Ende: „Wenn jemand dreimal hintereinander im Royal Flush gewinnt, würdest du dann nicht misstrauisch werden? Weil Unwahrscheinliches passiert doch, oder nicht?“ Über die Lippen des Obdachlosen kam nur noch ein langgezogenes „Hmm“, also konnte Timmy auch hier keine plausible Erklärung ausfindig machen. Und so zog Timmy weiter in Richtung des Nachbardorfes.
Im Dorf angekommen, traf Timmy eine merkwürdige Gestalt. Unter den Bewohnern war er nur als der „Bio-Typ“ bekannt. Ohne lang zu zögern, stellte Timmy auch ihm wieder seine Frage: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ Der Bio-Typ schien es sich leicht machen zu wollen und antwortete: „Natürlich gibt es Leben, denn sonst wären wir ja gar nicht hier.“ Timmy misstraute ihm und seinem undurchdachten Denken und fragte ihn, ob er sich denn gar nicht wundere. „Nee! Es muss so passen!“ Da kam Timmy eine grandiose Idee, um den Bio-Typen vielleicht doch noch umzustimmen: „Dann stell dir mal Folgendes vor: Ein Mann wird vor einen Graben gestellt. Hinter ihm befindet sich ein Erschießungskommando bestehend aus 100 Mann. Jeder dieser Männer trägt ein hochpräzises Scharfschützengewehr bei sich, den Lauf stets auf die lebenswichtigen Organe des Mannes gerichtet. Der Kommandant zählt runter: 3…, 2…, 1… und: Schießen!!! Und siehe, der Mann hört den Schuss, denn die 100 Gewehrkugeln haben seinen Körper nicht mit Überschallgeschwindigkeit durchbohrt. Der Mann dreht sich um, und es steht fest: Er lebt noch! Was könnte genauso unwahrscheinlich sein wie diese Geschichte? Aber es ist in der Geschichte eben passiert. Da kann man doch wohl kaum noch sagen, dass Unwahrscheinliches einfach passiert, oder?“ Auch der Bio-Typ wusste sich nicht weiterzuhelfen, als seine Unwissenheit durch pures Schweigen auszudrücken.
Timmy wollte sich gerade vom Bio-Typen verabschieden, da hörte er gleich mehrere ohrenbetäubende Schüsse. Jung wie Timmy ist, drehte er sich in null Komma nichts um und erblickte Commander Watson, einen mittelalten Veteranen, welcher nach seinem Dienst im Militär nicht dazu bereit war, seine Waffe abzulegen und seitdem Tag für Tag seine Fähigkeiten am Gewehr trainierte. Noch recht stark benommen gab Timmy dem Commander ein Handzeichen, anzuhalten. Der Commander hielt inne, und Timmy rannte zu ihm. Ohne lange zu zögern, stellte Timmy auch ihm seine Frage: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ Mit kratziger Stimme antwortete der Veteran kurz und trocken: „Du lebst vielleicht, aber das Universum ist trotzdem lebensfeindlich.“ Sichtlich von dieser schon fast albernen Antwort erschrocken, hakte Timmy nach: „Moment, ich meinte nicht, ob man auf dem Mars oder gar auf der Sonne leben könnte. Wir beide leben auf dem Planeten Erde, also kann unser Universum ja gar nicht lebensfeindlich sein. Wie könntest du leugnen, dass es in unserem Universum, in welchem du und ich leben, Leben gibt? Eigentlich müssten wir unser Universum mit anderen möglichen Universen vergleichen und uns dann fragen, warum es in unserem Leben gibt.“ Unerwarteterweise zeigte sich der Commander dem gegenüber sehr einsichtig: „Da habe ich so noch nie drüber nachgedacht. Weiterhelfen kann ich dir jetzt jedoch auch nicht mehr. Vielleicht kannst du dich mal auf der anderen Seite des Waldes nördlich von hier erkundigen. Ich meine, dort lebt ein recht bekannter Wissenschaftler, welcher sich Einstein nennt.“
So kam es dann, dass Timmy sich weiter in Richtung Norden aufmachte. Im Dorf angekommen, konnte Timmy letztendlich, nach umfangreichem Befragen der Bewohner, auch das Labor von Einstein ausfindig machen. Timmy klopfte an die Tür, und wenige Sekunden später streckte jemand einen lockig grauen Kopf durch die halb geöffnete Tür. Aufgrund von Timmys schwindender Ausdauer und Kraft kam er gleich zur Sache. Nachdem Einstein kurzerhand seinen Kopf vor ein Teleskop positioniert hatte, stellte Timmy ihm die eine Frage: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ Aber Einstein schien ihm keine Aufmerksamkeit schenken zu wollen. Erst nach erneutem Fragen erwiderte Einstein träumerisch: „Die Wissenschaft wird das schon irgendwann erklären können!“ – „Aber kann die Wissenschaft nicht auch dafür sorgen, dass eine natürliche Erklärung immer unwahrscheinlicher wird?“, fragte Timmy. – „Die Wissenschaft macht das schon“, meinte Einstein und drehte an der Linse des Teleskops. Timmy war jedoch noch absolut nicht überzeugt und musste weiter darauf eingehen: „Ich will aber nicht auf die Zukunft warten! Vor allem nicht, wenn es genauso möglich ist, dass diesbezüglich immer mehr Fragen für die Wissenschaft aufkommen.“ – „Irgendwann…“, doch Timmy war schon wieder verschwunden.
Das Nachbargebäude weckte Timmys Interesse. Aus dem Keller ertönte eine junge Stimme. Durch das Lichtschachtfenster erkannte Timmy einen Jungen, welcher wild auf seiner Tastatur herumhämmerte. Irgendwie schien der Junge Timmy bemerkt zu haben, und er kam zum Schacht. Nach einem kurzen Austausch wollte Timmy es einfach versuchen, und er stellte auch dem Jungen seine Frage: „Wie kann ich überhaupt leben? Ist das nicht super unwahrscheinlich?“ – „Was denkst du?“, fragte der Junge neugierig. – „Ich glaube, dass ein Gott dafür verantwortlich ist!“, woraufhin der Junge wieder das Wort ergriff: „Aber hätte es ein Gott nicht auch anders machen können? Zum Beispiel so, dass man die ‚göttliche Hand‘ auch wirklich erkennen kann. Denn so ist es ja nicht. Also wie kommst du dann auf die Idee, dich bei deiner Antwort auf einen Gott zu berufen?“ Timmy dachte kurz nach und gab entschlossen seine Antwort: „Aber was würde denn deiner Meinung nach ein Gott machen, welcher möchte, dass man sein Werk und die Göttlichkeit erkennt? Möchte er das Universum so gestalten, dass ‚nur‘ Leben möglich ist und ein Gott somit nicht mehr vonnöten wäre, oder möchte er das Universum so gestalten, dass das Leben eigentlich sehr unwahrscheinlich ist? Denn wenn man von Letzterem ausgeht, dann würde diese ‚Unwahrscheinlichkeit‘ doch nur noch mehr Gottes Stärke und Macht zeigen, findest du nicht?“ – „Hmm…, stimmt schon.“ Zufrieden beendete Timmy das Gespräch und machte sich auf den Rückweg, zurück zu Mister Sheng.
Bei Mister Sheng angekommen, berichtete Timmy erst einmal von all seinen Begegnungen und auch davon, dass die Antworten teilweise ziemlich ausweichend beziehungsweise unlogisch waren oder einen Schöpfergott auch gar nicht ausgeschlossen haben. Daraufhin fragte Sheng Timmy die eine Frage: „Und was glaubst du nun, wie du leben kannst, obwohl es so super unwahrscheinlich ist?“, worauf Timmy antwortete: „Ich glaube, ganz wie meine Urgroßmutter, an einen Schöpfergott. Für mich ist ein Gott, welcher über allem steht und für den nichts unmöglich ist, einfach am plausibelsten.“
Joshua Krems (Q1), Noah Jankowsky (Q1)